Weiter Wirbel um B***.to; Gefälschte Besucherzahlen (?), Interviews und mehr

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In den vergangenen Wochen haben nicht nur wir mehrmals über die Aktivitäten von b***.to berichtet, der vermutlich größten illegalen Download Plattform für deutschsprachige eBooks. Auch große Branchenmagazine, Tages- und Wochenzeitungen haben das Thema aufgegriffen.

Zuletzt gipfelte das Ganze in einer Anzeige gegen die Zeit und den Tagespiegel, die beide ein Interview der Betreiber von b***.to veröffentlicht hatten – und zwar ohne die Internetadresse unkenntlich zu machen.

Ein klarer Fall von Streisend-Effekt

Schnell machte das Gerücht die Runde, dass die GVU oder Buchreport selbst die Anzeige gestellt hätten. Das wird in einer Richtigstellung aber von beiden Seiten zurückgewiesen.

Von Seiten der GVU heißt es „Strafanzeigen gegen Journalisten oder andere Personen im Verlagsbereich wegen veröffentlichter Interviews mit den Betreibern urheberrechtsverletzender Internetplattformen und/oder der bloßen Nennung der URL solcher Websites gehören keineswegs zum Betätigungsfeld der GVU. Die GVU ist auch nicht der Rechtsansicht, dass die bloße Nennung der URL einer urheberrechtsverletzenden Website in einem journalistischen Beitrag eine Beihilfehandlung zur Urheberrechtsverletzung darstellt und hält dementsprechend auch solcherlei Strafanzeigen nicht für zielführend. Die GVU schätzt vielmehr eine kritische Berichterstattung.

Wer auch immer für die Anzeige verantwortlich ist, der dürfte sich nun jedenfalls richtig ärgern, denn hier hat sich ein typischer Fall von Streisand-Effekt abgespielt. Ohne die Strafanzeige wären die beiden Veröffentlichungen bei der Zeit und dem Tagesspiegel wohl wieder recht schnell im Nirvana verschwunden. Stattdessen haben zahlreiche Medien die Sache aufgegriffen und auch die Internetadresse und den Namen von b***.to vollständig genannt. Dadurch ist das Thema einem weit größeren Publikum zugänglich geworden, als das mit dem Interview ohnehin schon der Fall war.

Von illegal zu legal?

Nun hat auch die Wirtschaftswoche einen Artikel veröffentlicht, der sich mit der Thematik beschäftigt. Dabei sticht besonders eine Stelle ins Auge, wonach die Betreiber von b***.to eine legale Kooperation mit den Verlagen anstreben. Das wurde ja bereits in der Vergangenheit angedeutet – und zwar als man die Musikplattform Spotify zum Vergleich nahm. Im Artikel der Wirtschaftswoche heißt es: „Wir betrachten uns als eine Art Startup“, sowie „Für die Verlage ist eine Plattform wie unsere, ein Flatrate-Angebot für E-Books, überlebensnotwendig. Wir wollen die Verlage zu einer Allianz zwingen.“

Allerdings ist eine solche Zusammenarbeit natürlich auch an die Bedignung geknüpft, dass die Anzeigen gegen b***.to aufhören und zurückgezogen werden. Dass das geschieht, ist allerdings wenig wahrscheinlich. Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins Alexander Skipis, will sich verständlicherweise nicht erpressen lassen: „Das ist ausschließlich eine kriminelle Veranstaltung. Die Plattform nutzt Rechtsbruch zur Erpressung, das ist kein Weg in einem Rechtsstaat.“

Damit bleiben die Fronten weiter verhärtet – wenig überraschend. Skipis gibt gleichzeitig zu Protokoll, dass die Buchbranche schon von der Musik- und Filmbranche gelernt habe. Das untermauert er mit der Tatsache, dass eBooks schon am Markt waren, bevor die (große) Nachfrage danach vorhanden war. Damit hat er zwar nicht ganz unrecht, aber abgesehen davon, scheint diese Sichtweise etwas kurzsichtig zu sein – besonders in Hinblick auf den harten DRM-Schutz. Vielmehr meint man da offenbar die Einschaltung der GVU, die dabei helfen soll b***.to vom Netz zu nehmen.

Das dürfte aber nur schwer möglich sein, wie die GVU eingesteht: „Die Website ist außerdem im rechtsfreien Ausland gehostet, ein Knotenpunkt ist die Ukraine“. Die Zugriffsmöglichkeiten sind daher beschränkt. Im Gegensatz zu Kino.to, nutzt b***.to auch keine Werbung, über die man die Hintermänner ausforschen könnte. Laut der Plattform selbst, kennen sich die Betreiber untereinander nicht einmal persönlich. Eine Verfolgung ist daher schwierig.

Für die GVU heißt es daher offenbar: Abwarten und Tee trinken. Man ist sich sicher, dass die Betreiber aufgrund einer „Geltungsbedürftigkeit“ irgendwann einen Fehler machen oder sich irgendjemand verplappert. Nun gut, man wird sehen.

Besucherzahlen erfunden? Vermutlich nicht.

Der Kampf geht aber auch an anderer Stelle weiter. Wir haben davon berichtet, dass die Besucher- und Downloadzahlen von b***.to in den letzten 6 Monaten massiv gewachsen sind. Kurz darauf folgte im Buchreport-Blog eine vermeintliche Richtigstellung zu den Zugriffszahlen der Plattform.

Einer der Autoren des Gutenberg Reports hat sich die Sache genauer angesehen und meint, dass die von b***.to veröffentlichten Besucherzahlen nicht der Wahrheit entsprechen. Beim Gutenberg Report handelt es sich um eine Abbildung und Analyse der illegalen Aktivitäten am eBook-Markt. Allerdings muss ich an dieser Stelle auch sagen, dass ich die Methodologie dahinter zum Teil als fehlerhaft erachte. Darauf habe ich in der Vergangenheit schon einmal hingewiesen.

Und so muss man sich auch jetzt fragen, ob die im Buchreport-Blog veröffentlichte Analyse nicht eine falsche Prämisse zur Grundlage hat. Um die Besucherzahlen von b***.to zu verifizieren, hält sich der Autor an die öffentlich zugänglichen Zahlen von Alexa.

Dabei handelt es sich um einen Dienst, der ein Ranking von Webseiten anhand deren Besucherzahlen erstellt. Die Messung erfolgt allerdings nicht wie bei anderen Diensten (z.B. Google Analytics, IVW) über die direkte Einbindung entsprechender Codes, sondern über die Besucher der Seite, die eine Browsertoolbar installiert haben müssen. Und genau hier liegt das Problem. Alexa ist in Deutschland kaum verbreitet. Somit lässt sich auch keine statistische Repräsentativität aus den Zahlen ableiten.

Zur Untersuchung wurde aber genau das angenommen – eine statistische Repräsentativität. Dabei vergleicht man die tatsächlich erhobenen Besucherzahlen durch IVW von anderen Webseiten mit dem Alexa-Ranking und scheint mit der Analyse zu bestätigen, dass die Zahlen von b***.to nicht stimmen können. Aber viel erstaunlicher ist, dass Alexa-Ranking und IVW-Zahlen auf den ersten Blick miteinander zu korrelieren scheinen. Ich habe das jetzt keiner weiteren statistischen Analyse unterzogen, aber der im Buchreport veröffentlichte Graph zeigt jedenfalls einen überraschend klaren Zusammenhang – nur b***.to weicht massiv davon ab.

Das ist deshalb verwunderlich, da die Alexa-Toolbar – wie gesagt – in Deutschland kaum verbreitet ist. Ich habe daher kurzerhand genau die gleiche Analyse vorgenommen und mir zufällige Webseiten aus den IVW-Zahlen rausgesucht und diese ebenfalls in einem Graphen aufbereitet. Hier zeigt sich dann, das eigentlich Erwartete: Es gibt offenbar keinen Zusammenhang zwischen Alexa und den tatsächlichen Seitenaufrufen.

Um das Ganze statistisch signifikant zu untermauern, müsste man die Stichprobe vergrößern. Dagegen habe ich mich jetzt allerdings aus Zeitgründen entschieden, zumal es zumindest zwei deutliche Ausreißer gibt und die Stichprobengröße bei Buchreport mit nur 20 Seiten (+ b***.to) ebenfalls recht klein ist.

Kein Zusammenhang zwischen Alexa und tatsächlichen Seitenaufrufen

Ob nun ich mit meiner Analyse richtig liege, oder die Gutenberg-Autoren, muss jeder selbst entscheiden. Zur Entscheidungshilfe kann man die Zahlen bei IVW auch selbst direkt mit dem Alexa-Ranking vergleichen. Jedenfalls zeigt meine kurze Ãœberprüfung, dass es offenbar keinen Zusammenhang gibt und tatsächliche Seitenaufrufe und Alexa-Ranking nicht korrelieren. Im oben gezeigten Diagramm ist b***.to ebenfalls enthalten – wer weiß welcher Punkt es ist?

Zurücklehnen – alles nicht so schlimm?

Aber warum ist das überhaupt relevant? Im Buchreport-Fazit heißt es „Jede Piratenseite ist für Rechteinhaber ein Ärgernis – aber diese ist jedenfalls keine Katastrophe“. Damit spielt man die Rolle von b***.to am heimischen eBook-Markt runter und suggeriert den Rechteinhabern in gewisser Weise, dass man sich sowieso keine Sorgen über die Entwicklung zu machen braucht, denn deren Zahlen sind ja gelogen.

Tja, so einfach kann man es sich aber nicht machen, denn selbst wenn die Zahlen von b***.to erfunden sind – mit Hilfe von Alexa lässt sich dies jedenfalls nicht zeigen. Die von b***.to herausgegebenen Statistiken geben natürlich auch keinen Einblick auf die tatsächlichen Nutzerzahlen. Es wäre durchaus möglich, dass die Masse an Downloads von einer kleinen Minderheit erzeugt wird, die sich private Bibliotheken zusammenstellen.

Wie auch immer die Realität aussieht, als Verlag sollte man die Sache meiner Meinung nach jedenfalls nicht auf die leichte Schulter nehmen und sich am besten überlegen, wie man das eigene Angebot aufbessern kann. Ein erster Schritt – und hier wiederhole ich mich – wäre es den harten DRM-Schutz von Adobe fallen zu lassen. Damit würde man die Zugänglichkeit verbessern. Wie wichtig eine einfache und schnelle Handhabung im Online- und Digitalmarkt ist, hat Google vor einigen Jahren in einer Studie gezeigt.

Noch bevor Kindle und Tolino in Deutschland an den Start gegangen sind, hat Chalid seinen ersten eBook Reader im Jahr 2007, aus Begeisterung an der Technik, aus den USA importiert. Als Mitbegründer und Chef-Redakteur hat er seit der Gründung von ALLESebook.de, im Jahr 2010, inzwischen über 100 eReader zahlreicher Hersteller getestet. Mehr erfahren
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